Historischer Roman von Daniel Wolf
Wow – was für ein Epos. Vorweg: dieser historische Roman von Daniel Wolf hat sich seine 5Sterne redlich verdient. Der Roman nimmt seinen Anfang im Jahre 1386 und wird gut 1000 Seiten später im Jahre 1402 sein (vorläufiges?) Ende finden (leider habe ich die Vorgängergeschichte diese Serie rund um die Familie Osinga zu Zeit der Hanse (Im Zeichen des Löwen) nicht gelesen)
Worum es in dieser Geschichte geht
Wie so oft: um Geld, um Macht, um Einfluss, um Intrigen. Daniel Wolf verwebt historische Personen und Familien mit einem Handlungsstrang über gut 15 Jahre. Im Mittelpunkt der Erzählung steht die Familie Osinga und deren Sohn Folkmar. Der 21-jährige Folkmar Janns Osinga ist Schiffszimmermann mit Leib und Seele. Gemeinsam mit seinem Vater Jann baut er begehrte Koggen, das Unternehmen der Familie floriert. Der Vogt Yneke Egers wird ebenfalls zu einer Hauptfigur, wie die junge, kluge Almuth, die gemeinsam mit ihrem Vater Gert Teil der Geschichte wird. Die Dinge in Warfstede, einem der Orte der Handlung, gehen ihren Gang, Daniel Wolf erzählt in einer wunderbaren Sprache, von Koggen (Hochseeschiffen), von der Priel (Wasserrinne im Watt), dem Siel (Deichschleuse) und der Warf (künstlicher Erdhügel). Er nimmt den Leser an die Hand in jener Zeit, in der der Komfort darin bestand bestenfalls ein Steinhaus zu besitzen und mit einem Talglicht des Abends Helligkeit zu zaubern. Während die Erzählung im Rahmen des alljährlichen Klootschießen (alte norddeutsche Sportart) eine entscheidende Wende nimmt, setzt der erste „ich will wissen, wie gehts weiter“-Reflex ein. Yneke, Folkmar und die Dorfbewohner werden Zeuge eines scheinbar alltäglichen Vorganges und ahnen nicht, welche Verwerfungen sich für das Leben vieler im Dorf dadurch ergeben werden.
Folkmar wird er Opfer einer perfiden Intrige: Des Mordes bezichtigt, muss er fliehen, sowohl Almuth, die als auch seiner Heimat den Rücken kehren. Verzweifelt versucht er, seine Unschuld zu beweisen. Seine Lage scheint über weite Strecken hoffnungslos – bis er den Vitalienbrüdern begegnet und sich den berüchtigten Piraten anschließt …
Die Begegnung mit jenen Vitalienbrüdern vollzieht sich erst weit in der zweiten Hälfte des Buches. Derweil erlebt der Leser weitere (wohl zum Teil geschichtlich nachvollziehbare) Begebenheiten rund um das Geschlecht der Familie tom Brok, ein mächtiges ostfriesisches Handelsgeschlecht. Machtspiele, strategische Winkelzüge und vieles mehr treiben den Leser mitunter in eine „Wut“ über das eine oder andere Geschehnis. Es bleibt ihm nicht erspart, er muss weiterlesen und darf die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Dinge sich eines Tages zum Guten wenden. Ob dem so ist, bleibt über weite Strecken des Buches offen und undurchschaubar – so verwoben sind einzelne Ereignisse und Abhängigkeiten, mitunter scheint es schier unmöglich vorhersehbares abzuwenden.
Auch wenn dieser Roman – so lautet bisweilen eine grundsätzliche Kritik der Daniel Wolf Erzählungen – manchmal über weite Strecken auch etwas Durchhaltevermögen erfordert, zu keinem Zeitpunkt aber fühlte ich mich „ermüdet“ oder gäbe es Anlass über mangelnde Spannung zu klagen. Im Gegenteil. Jedes Kapitel, egal in welchem der vielen Orte, die Handlung spielte, hat seine eigene Dramaturgie, seinen eigenen Spannungsbogen – jedes Kapitel versteht es trefflich einzutauchen in diese uns heute so fremde Welt. Der flüssige und äußerst angenehme Schreibstil tut sein übriges zur Bewertung 5Sterne.
Fazit
Wow – was für ein Epos. Ich bereue fast mich im Vorfeld nicht informiert zu haben, dass es einen Teil1 (Im Zeichen des Löwen) gibt. Das tut meiner Begeisterung über diese Geschichte (Im Bann des Adlers) rund um Folkmar Janns und seiner Familie keinen Abbruch. Toll erzählt, Spannung in Überlänge (und das ist nicht negativ gemeint), Geschichtsunterricht in sehr schön lesbarer Form. Ein Buch, wie geschaffen, für lange Leseabende. ***** Sterne!
(c) www.udomittendrin.de / 30.03.23