Gruam – ganz unten
Stefan Kröll überzeugte erneut im Magazin4
„Gruam“. Kaum das man es richtig aussprechen kann. Gruam, die Grube, gemeint ist alles was düster, muffig und geheimnisvoll ist. Man könnte auch sagen: der Mist, der durchs Gitter fällt, das was gern verdrängt oder gar totgeschwiegen wird, was nur in Sagen, Mythen oder in geheimen Verschwörungstheorien überlebt. Willkommen im neuen Programm von Stefan Kröll.
Gruam. Der Abgrund als Faszination. Denkt man für gewöhnlich beim Stichwort Bayern gern an einen weißblauen Himmel, an grasgrüne Weiden vor Alpenpanorama oder glitzernde Seen, oder gar an schillernde (geheimsumwobene) Könige und Reichtum, so ist der Umgang mit dem Thema „Gruam“ ein Kapitel „unter der Hand“, aber doch stets latent vorhanden – viel zu interessant was „dort alles vor sich geht“.
Stefan Kröll, der erfolgreiche oberbayerische Kabarettist und Erzähler in Sachen Bayerische Geschichte, hat sich der „Gruam“ gewidmet. Mutig stellt er sich an den Rand verbotener Abgründe, wirft einen Blick in tiefe Keller oder hinter aufpolierte Kulissen, gern mit dem Vergrößerungsglas in der Hand. Spannend plauderte Kröll in schönstem, den Ohren schmeichelndem Oberbairisch über Geheimnisse, Mythen und Aberglauben im Freistaat. Schnell hing ihm das Publikum im Magazin4 an den Lippen, wurde zwischen dem Hier und Jetzt auch in „waxe Gschicht“ von anno dazumal oder in eine verruchte Anekdote verwoben. Die „Gruam“ machte es möglich.
Stefan Kröll brachte das Publikum immer wieder heil ins „Hier und Jetzt“ zurück. So trafen Hexenverbrennungen und die BILD – Zeitung ebenso aufeinander wie Schillers „Räuber“ und der facettenreiche „Boarisch Hiasl“.
Die Kabarett-Landschaft ist ja eine etwas unwegsame. Klamauk, Stand-Up, oder neudeutsche selbsternannte Comedians präsentieren landauf, landab gerne auch mal flache Flächen und grenzwertige Pointen am Rande des guten Geschmacks. Die Politsatire kommt in die Jahre, die Frisur einer Merkel lockt schon lange keinen Lacher mehr hervor, und die Jokes auf Kosten anderer waren schon immer im Bereich der unteren Gürtellinie. Was fehlt? Die Frage muss korrekterweise lauten: was fehlte? Es fehlte vielerorts am Wortwitz, der niveauvoll Information transportiert, dabei trotzdem den Schalk auf der Zunge mit sich trägt – nicht anklagend, nicht trotzig, sondern humorig wertig. Stefan Kröll, der ehemalige Hochzeitslader aus Bad Aibling hat die Bühne endgültig für sich entdeckt und präsentierte sein zweites Programm „Gruam“ in der Reichenhaller Saline, im Magazin4.
Es sind die zarten Pointen, die das Programm eines Kröll so wertig machen, keine marktschreierischen Kalauer, sondern geschickt platzierte Narreteien, im rechten Moment eingefügt, ab und an überzeichnet er bewusst. Er berichtet stolz, das seine Kinder in der Schule über ihn sagen „der Papa ist schon über 40, aber geistig noch voll da“.
Stefan Kröll spannt einen weiten Bogen von den Bettlern im Mittelalter die damals schon durch geheime Zeichen (durchgestrichener Punkt mit 3 Halbkreisen) auf nicht vorhandenes WLAN hinwiesen bis hin zu leicht entfremdeten Zitaten aus Goethes „Faust“. Er greift zum Piano und weist daraufhin, dass 30% der Töne falsch sein müssen, damit das eine Gema-freie Darbietung wird. Erkennbar bleibt „Riders on the storm“ (Doors) dennoch, auch wenn der Komponist mit dieser Version sicher nichts zu tun haben will.
Das dankbare Publikum im Magazin4 erfährt viel über die sogenannten „schwarzen Frauen“, nein, nicht über Hadertauer und die Frau Hohlmeier, sondern zum Beispiel von Adele Spitzeder, die damals (1870) eine Bank mit dem Prinzip Hoffnung eröffnete und jedem reiche Rendite versprach, er berichtet von der Geschichte der heiligen Afra, die ein Freudenhaus in Augsburg betrieb und davon dass das Zölibat nicht von Jesus ausgegeben, sondern 300 Jahre später vom Bodenpersonal verkündet wurde.
Es ist die ruhige Erzählweise eines Kröll, der Informationsgehalt (und damit die Seriosität) gepaart mit Wortwitz und viel Schalk im Mundwinkel, der in Reichenhall zu überzeugen wusste. Bavaria, 1860 München, Europäische Zentralbank, und vieles mehr eingebettet in so manches intelligentes Wortspiel machen aus einem Kabarettprogramm einen hochwertigen, äußerst unterhaltsamen Abend. Alles andere als flach. Hörenswert und sehr sympathisch aufbereitet. Gerne mehr aus der „Gruam“.
*** © Udo Kewitsch, 25.09.17 ***