Die schlechte Nachricht vorweg: Jon Bon war beim Friseur. Jawohl, meine Damen, ein Kurzhaarschnitt, so wie wir ihn alle tragen. Irgendwie so „unbesonders“. Schluss mit langer wilder Mähne, aus der Zeit, als sein wehendes Haar auf den Bühnen in Kombination mit seinem Sexappeal zigtausende von den Sitzen gerissen hat. Jedoch gilt: er hat sich nicht verändert. Seine Show und seine Band riss am vergangenen Olympiastadion, mit 68.000 (!) bis auf den letzten Platz ausverkauft, alle mit. Begeisterung allerorten.
Doch bevor ein kurzhaariger Jon Bon die Bühne betrat, sprang die Rockröhre Numero Uno aus Italien ins Rampenlicht: Gianna Nannini, die Tochter eines wohlhabenden und traditionsreichen toskanischen Konditors aus Siena. Die studierte Literaturwissenschaftlerin und Philosophin hatte alle ihre Gassenhauer im Gepäck. Latin Lover (1982), Un Estate Italiana (1990), I Maschi (1988) oder auch das Bello E Impossible ((1986) und ihr Meravigliosa Creatura (1995) und viele mehr gab Gianna, die seit 1976 auf der Bühne steht zum Besten. Sie hatte nur das Pech, dass Jon Bon und seine Band nach ihr folgen sollten, so wurde man das Gefühl nicht los, dass eigentlich niemand so wirklich mit Hingabe hinhörte sondern die temperamentvolle und bestens gelaunte Gianna Nannini einfach nur geduldig hinnahm. Beide, Publikum und Gianna Nannini samt Band, bedankten sich einer guten dreiviertel Stunde und man bereitete sich mit Laola-Wellen auf den eigentlichen Star des Abends vor.
Jon Bon, sein Vater John Bongiovi, ein aus Sciacca in Sizilien stammender Friseur (womit der Zusammenhang zur Einleitung hergestellt wäre), ist seit über 22 Jahren einer der erfolgreichsten Rockmusiker, seine Songs landen meist treffsicher in den Top Ten, seine Gastspiele im meist ausverkauften Olympiastadion haben eine lange Tradition – das traditionelle Regenwetter an solchen Tagen ebenso. Was am 21. Januar 1984 mit dem Debütalbum „Bon Jovi“ ist heute ein Kassenschlager. Ein Bambi, ein Grammy, ein World Music Award und viele, viele andere Titel und Ehren schmücken die behaarte Brust von Jon Bon Jovi.
Es ist überliefert, dass noch eine Stunde vor der Show die Band über die so genannte Setlist grübelte und somit das Programm des Abends buchstäblich erst in letzter Minute feststand. „Lost Highway“ und „Born to be my baby“ waren der Einstieg in einen abermals phantastischen Abend mit Jon Bon Jovi & Band. Das darauf folgende „(You give Love a) Bad Name“ bewies einmal mehr, dass es nur wenige Minuten braucht, um eine 68.000 mannstarke (obwohl: die Frauen waren in der Überzahl) Menschenmenge in Wallung zu versetzen. Lauthals stimmten alle in den Refrain mit ein und der ergrauende Himmel über München empfing donnernd die Worte: “Shot through the heart, And youre to blame, You give love a bad name, I play my part and you play your game, You give love a bad name”.
Die Bühne groß, die Video Leinwände gaben einen groben Überblick, der Sound erstklassig, das Tempo hoch. Hochleistung brachte vor allem Tico Torres, der Drummer, der sich in seiner „Bude“ in einen Rausch hämmerte. Richie Sambora (Gitarre), Gründungsmitglied wie auch der goldgelockte David Byran (Keyboard) sowie Hugh McDonald (Bass, seit 94 dabei) unterstützen Jon Bon aus Leibenskräften, wenngleich die genannten Herren streng genommen nur die „Angestellten“ von Mr. Jovi sind, der als einziger bei der Plattenfirma unter Vertrag steht. Der „Chef“ selbst ist eigentlich kein Mann der großen Worte, nur zaghaft und eher verhalten seine Ansprache an die Menge.
Und dennoch: der im März 1962 geborene Jon Bon kam, sah, und wollte partout sein Spiel nicht abbrechen, die zwischenzeitlich sich entleerenden Regenwolken taten dem keinen Abbruch – sowohl Band als auch die 68.000 begeisterten Fans sangen und klatschten sich von Song zu Song: „Runaway“, „Its my life“ und natürlich das wörtlich zu nehmende „Have a nice day“ ließen die Stimmung auf den Siedepunkt zusteuern.
Als dieser nach der Twist & Shout“ auf das scheinbaren Ende eines fulminanten Konzertes zukam, tat Jon Bon Jovi, was er schon einmal gemacht hatte. Er genoss den Augenblick des applaudierenden Publikums sichtlich ergriffen, stand lange Sekunden schweigend auf der ins helle Scheinwerferlicht getauchten Bühne, nahm seine Jungs in den Arm, und sagte wohl vermutlich „Ey, wir spielen noch weiter“, bekam Zuspruch und schnallte sich erneute sein Gitarre um. Applaus brandete auf.
Lange Rede, ….. die gute Nachricht lautet: ein Jon Bon Jovi Konzert ist ein Garant für einen gelungenen Konzert-Abend, auch wenn das einstige Markenzeichen der „Hair-Metall-Band“ zunehmend der Schere zum Opfer fällt, die musikalische Qualität und perfekte Show in Überlänge sind Weltklasse. Wer achtet da noch auf die Frisur ?
*** © Udo Kewitsch, 05.05.08 / Zeichen 4.740 / Zeilen 68 ***