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Stephan Zinner

Stephan Zinner und seine Wilden Zeiten

Sehr humoriger Abend in der Theaterfabrik in Pertenstein

Wilde Zeiten. Und es kommt wahrscheinlich noch schlimmer. Zunächst kam aber erst mal Stephan Zinner, der singende Barde, der Komödiant, der Schauspieler, der Blues-Man, der Ehemann einer Dresdnerin (schreibt man das nicht so: Drääsden ?). Er kam mit seinem neuen Programm Wilde Zeiten und er war sichtlich unaufgeregt, man könnte meinen tiefenentspannt.

Weil er so entspannt ist, stellt er zunächst einmal die Frage nach dem Superman, erwischt eine Besucherin aus Cham, die am liebstem in ihrem Sessel verschwinden würde. Aber sie komme nur einmal dran und brauche sich daher weiteren keinen Sorgen für den Abend machen, versichert ihr der gebürtige Trostberger.

Mit „Superman“ kommt auch gleich der erste musikalische Paukenschlag. Der Mann hat es drauf, Zoten machen klar, eloquent sein sowieso, kommunikatorisch hochtrabend allemal, aber musikalisch eben auch. Da dampft der Blues Hammer. Alle Ehre.

Und so hat die ausverkaufte Theaterfabrik e.V. in Pertenstein Anteil am Leben der Familie Zinner, die immer – wirklich immer – in der Mittagshitze beim Zeltplatz ankommt. Aber von wegen Willkommensbier, erst wird das Zelt aufgebaut. Die Problematik mit dem Zelthering im italienischen Carrara erklärt Zinner am Beispiel von Tom & Jerry mit dem Bild und dem dazugehörigen Ton, wenn der Tom immer so einschädelt, weil er die vor ihm liegende Wand übersieht. Dongggggg mit Wiederhall. So ähnlich, nur etwas hochfrequenter klingelt es bei Zinners, wenn er versucht den Hering in den Boden zu treiben. Außerdem beschwert sich die Frau zum Thema Zelt mit klarer Ansage: „schief“. Der Versuch, dies mit der Erdkrümmung zu erklären, scheitert. Mann hat es nicht leicht in wilden Zeiten. Zum Glück gibt es abschließend dann doch noch „sette, otto, birra“ und als Stephan final im Nachbarszelt landet, weil die schwedischen Nachbarn wohl sehr leise aufgebaut haben müssen, sind die Lacher im Saal ganz auf seiner Seite.

Es geht auf und ab im Programm. Wir werden Zeuge des Münchner Straßenverkehrs, wo die Autofahrer sich darauf spezialisiert haben bei „glei grün“ schon zu hupen. Da ein dringender Organ Transport nur selten hinter ihm fährt, entscheidet sich Zinner mit seinem Sharan für ein Wettrennen mit diesem Indianer Auto, dem Chayenne.  Zinner kalauert auf intelligente Art, nicht politisch, nicht polemisch, aber doch mit dem Finger immer in der Wunde des Publikums. Zwischendrin untermalt er mit hochwertigen Songs (und nicht minder pfiffigen Texten) das Programm und plaudert sich somit in Rage. Er erzählt vom Einkauf im Rapper Store, wo er doch tatsächlich Turnschuhe kaufen wollte, vermittelt uns Einblicke in die Käseabteilung des Supermarktes nahe Planegg und bekennt sich eindeutig zum bayrischen Bier, weil diese Becks-Plörre könne man ja nicht trinken, sondern sich nur die Wadeln damit einreiben.

Zinner in action – guter Mann

Highlight des Abends für mich sein einstimmiger Accapella „Work Song“, der dem arbeitenden Volk gewidmet ist. Aus vollster Kehler prangert er die Moral der Unternehmen an, geißelt den falschen Ehrgeiz der Überstunden und schmettert seine Lebensgrundeinstellung ins Auditorium. Gut so. Vielleicht kaufen ihm die Gewerkschaften hierfür die Rechte einmal ab.

Alles in allem, musikalisch, wie kabarettistisch, textlich wie gesanglich: Wortgewaltig im Wortsinn, auch wenn wir kein Patentrezept gegen die wilden Zeiten mit auf den Weg bekamen, so doch zumindest die eine oder andere erhellende Einsicht. Es könnte schlimmer kommen.

*** © Udo Kewitsch, 17.01./ Zeichen 3524, Zeilen 52   ***

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