Es ist ein klassisches Rezept. Man nehme knapp zwei Hände voll Verdächtiger, einen rätselhaften Mord, eine etwas unheimliche Umgebung, füge eine Portion Unwetter und ein Ermittlerduo, dass unterschiedlicher nicht sein könnte, hinzu. Fertig ist so etwas wie ein Agatha Christie Spannungsbogen – nur etwas moderner. Tessa Wegert, die Kanadierin mit deutschen Wurzeln, hat sich an dieses Projekt gewagt. Mit Erfolg.
Senior Investigator Shana Merchant, nach einer traumatischen Geiselnahme von New York City in die beschauliche Thousand-Islands-Region versetzt, soll auf einer kleinen Privatinsel einen Vermisstenfall aufklären. Doch ein Sturm zieht auf, der Shana und ihren neuen Kollegen Tim auf der Insel gefangen hält – zusammen mit acht Angehörigen der wohlhabenden Sinclair-Familie, die allesamt verdächtigt sind, einen neunten aus ihrer Mitte beseitigt zu haben. Je näher Shana der Wahrheit kommt, desto größer ist die Gefahr, dass der Mörder erneut zuschlagen wird – soweit der Klappentext, der ein vielversprechendes Krimirätsel verspricht.
Weggert gelingt der Einstieg in die Story leichtfüssig und locker. Shana Merchant und ihr Kollege Tim werden auf eine der vielen Inseln geschickt, sie arbeiten frisch zusammen und das Shana ein Geheimnis mit sich trägt, wird immer wieder eingestreut, jedoch sind diese Einschübe nicht immer sofort nachvollziehbar und schlüssig. Bram. Das Wort kommt dem Leser immer wieder unter, obwohl er zunächst nichts damit anfangen kann – dennoch nimmt die Handlung ihren Lauf und wirkt bis weit in die erste Hälfte des Buches keineswegs langweilig oder gar unplausibel. Die Interviews mit den Familienangehörigen sind jeweils Puzzleteile im Fall. Die Aufmerksamkeit des Lesers wird durchaus ein klein wenig gefordert. Es scheinen alle ein Motiv zu haben und so richtig kristallisiert sich keiner der Anwesenden wirklich als Hauptverdächtiger heraus. Die Autorin erzählt stimmig und kurzweilig, verliert sich aber in der Mitte des Buches manchmal zu sehr in der Nebengeschichte, jene Erlebnisse von Shana aus der Vorzeit. Doch im letzten Drittel nimmt alles wieder Fahrt auf und die Ereignisse, auch die aus der Vergangenheit, fügen sich ineinander.
Durchaus überraschende Aspekte werden freigelegt. Dies ist auch der Grund, warum über die gesamte Lesedauer hinweg die Spannung erhalten bleibt und der Leser doch unbedingt wissen will, wie es sich denn nun wirklich zugetragen hat und vor allem warum.
Fazit: sieht man von der kleinen Durststrecke, die ich im Mittelteil für mich erlebt habe, ab, ist Tessa Wegert mit Thousands Islands ein gelungenes Debüt gelungen. Agatha Christie nur viel moderner, abgestaubt sozusagen. Die Kulisse im herrschaftlichen Haus der Sinclairs, der draußen tosende Sturm, vor allem aber die authentischen Charaktere der Protagonisten sowie die schlüssige Handlung und der flüssige Stil der Autorin machen das Buch sehr einer sehr schönen ebenso lockeren wie – bis zum Schluss – spannend unterhaltsamen Lektüre.****
(c) Udo Kewitsch, Jan21
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