Überzeugend – John Mayall im Salzburger Republic
Der alte Mann und der weiße Blues
Schnabeltasse und Rollator? Der eine oder andere aus dem Jahrgang 1933 mag davon betroffen sein. Nicht aber John Mayall (29.11.1933), der alte weiße Mann aus Großbritannien. Jener und seine Band war zu Gast in Salzburg und boten ein überzeugendes Konzert im ausverkauften Republic. Rock´n Roll oder auch der gute alte Blues sind keine Frage des Alters, im Gegenteil wie man unschwer an den Stones aber eben auch an John Mayall erkennen kann.
Sein erstes Konzert 1950 (!) war der Beginn einer bis heute andauernden Karriere, 1962 erblickte das „Blues Syndikat“ das Licht der Welt und erlebte 1963 eine Neuformation unter dem Namen „Bluesbrakers“ Zahlreiche namhafte Musiker gaben sich hier die Instrumente in die Hand: Eric Clapton, Peter Green, John McVie (Fleetwood Mac) aber auch Mick Taylor der Nachfolger des verstorbenen Stones Gitarristen Brian Jones.
So mag es wenig verwundern, wenn John Mayall mit nahezu jugendlichem Schwung die Bühne betritt und unvermittelt seine selbstgebaute Gitarre ergreift und den ersten Blues Riff nach vorne peitscht. Die Band von der ersten Sekunde an mittendrin im Geschehen.
Der charismatische und überaus coole Bassist Greg Rzab ist eine Show für sich. Scheinbar unbeeindruckt vom Treiben um ihn herum, streichelt er seine abgenutzte hellblaue Bassgitarre derart sanft als könne jeden Moment die Saite reißen, kurz darauf – die Coolness bleibt unverändert auf Gefrierniveau – hämmert er auf die vier Bass-Stränge als gelte es selbige in das Holz des Gitarrenhalses zu treiben. Gelegentlich gelingt dem Mann aus Chicago auch ein äußerst lässiger Grinser, musikalisch bleibt er so oder so über jeden Zweifel erhaben. Ein Genuss.
Das Schwergewicht Jay Davenport an den Drums überzeugt ebenfalls durch vollen Einsatz. Seine Schießbude wackelt stet, die Felle halten, der Rhythmus ist grandios und auch die zwei Soloeinlagen zeigen eindrucksvoll: hier ist der Profi unterwegs.
Rocky Athas an der Gitarre, der kantige Texaner, drängt sich nicht nach vorne, das überlässt er vielmehr seiner Gitarre. Peitschend und auch hier äußerst beeindruckend, besonders wenn die diversen Solis mit den Songs verschmelzen.
John Mayall selbst unaufdringlich und doch sehr präsent. Mal an der Gitarre, mal an einem seiner zwei Keyboards und immer wieder mit der Blues-Harp, der er reinste Blues Symphonien entlockt. So geht das Konzert seinen Gang, der Gesang von John Mayall gehört sicher nicht in die Kategorie „Beste Stimme“, aber darum geht es auch nicht. Im Vordergrund steht der experimentelle Blues, die teilweise episch werdenden Stücke und Sequenzen, die Fusion der Instrumente. Jeweils großer Applaus als „California“ oder „Help me“, das berühmte „Room to move“ oder zuvor der markante „Turning point“ angekündigt wird. Der alte weiße Mann hat den Blues nach Europa geholt, ihm eine nachhaltige Prägung verschafft, insofern war das Konzert im Salzburger Republic auch ein Stück Zeitgeschichte, der Gastspieler am Saxophon nochmals ein wertvoller Bonus. Von wegen Rollator und Schnabeltasse. Sauberer, handwerklich perfekter Blues auf höchstem Niveau.
*** © Udo Kewitsch, Zeichen 3156, Zeilen 47 ***