Heavy Metall Staraufgebot in Inzell
Highlights und Enttäuschung beim Hi Rock Festival in Max Aicher Arena
Es begann so vielversprechend. Die Bands Europe, Whitesnake, Toto, Journey, Survivor und viele mehr waren angekündigt. Es versprach, wie man neudeutsch sagt, „geil und laut“ zu werden. Zwei Tage waren angesetzt, die Veranstaltung fand quasi simultan an zwei Orten statt: in der Loreley in einer phantastischen Freiluftarena unterhalb des berühmten Felsens und einmal – für den Chiemgau einzigartig – in der Max Aicher Arena in Inzell. Es sollte ein Hit-Regen werden, der Regen jedoch spielte an diesem Wochenende sein ganz eigenes Konzert ….
Den Auftakt machten am Samstag die Bands Heat und Voodoo Circle. Satter Sound dröhnt aus den Boxen, die Halle, leider bei weitem nicht ausverkauft, füllt sich langsam, die trübe Stimmung vor den Toren ist drinnen nicht spürbar. Die Fans haben Lust auf Rock und die ersten Bands bieten genau diesen geraden und direkten Sound. Von der Box die direkt aufs Trommelfell. Wer weiß, vielleicht vibrierten zu diesem Zeitpunkt schon die architektonisch markanten Lichteinlässe des Hallendachs.
Voodoo Circle gibt Vollgas, das Publikum – zum Großteil offensichtlich „fachkundig“ singt die Nummern fehlerfrei mit und fordert den gut gelaunten Frontman David Readman heraus. Die Songs selbst gehören durchaus in die Kategorie Heavy Metall. Bewusst orientiert sich die Band an den Vorbildern aus vergangenen Tagen: Rainbow, Deep Purple sind der musikalische Ursprung der deutschen Band, die mit ihrer dritten CD „More than one way home“ in der Szene durchaus für Fuore gesorgt hat. Nie klang eine deutsche Band so international, mit so viel englischem Hardrock im Blut, titelte erst jüngst ein Magazin.
Auch der nächste Act versprach Besonderes: die Formation Black Star Riders, kurz BSR, kamen mit schwarzem düsteren Bühnebild daher. Auch die Protagonisten – so viel Show muss sein – wirkten schön böse und „beinhart“. Keine geringeren als Ex- Thin Lizzy Musiker standen da auf der Bühne. „The boys are back in Town“ war somit schon ein Titel mit doppelter Bedeutung. Jede Menge Pferdestärken unter der Haube ging es von der ersten Sekunde an fulminant los. „Dancing in the moonlight“ und auch ehemalige Thin Lizzy Gassenhauer waren geboten, die Fans dankten mit mächtigem Applaus. Ricky Warwick (Vocal, Gitarre), Marco Medoza (Bass) und der charismatische Scott Gorham sowie Damon Johnson an den Gitarren sorgten wir temporeichen Rock in guten alten Lizzy Stil.
Europe, die englisch singende Band aus Schweden setzte den Reigen fort. Die mit dem Hit „Final Countdown“ berühmt gewordene Band existiert seit 1978, seit 1982 unter dem Namen „Europe“. Speed, Tempo scheint das Credo der rockenden Musiker zu sein. Sänger Joey Tempest flitzt von einer Ecke zu anderen, genießt sichtlich seinen Auftritt und begeistert vor allem die angereisten weiblichen Zuschauer. Die Songs allesamt kernig, die Leidenschaft der Akteure groß. Hatte die Formation doch auch Jahre der Versenkung erlebt, erstanden nun Gründungsmitglied John Norum und seine Mannen wieder wie Phoenix aus der Asche auf. Der Erfolg der letzten Aktivitäten spricht für sich. Europe hat sich die Fans längst zurück erobert und wird unter Insidern als die erfolgreichste „Reunion“-Band gehandelt.
Mit einsetzender Dunkelheit bewegte sich der erste Festivaltag seinem Höhepunkt zu. Kein geringerer als die Rock-Diva David Coverdale und seine „Whitesnake“ prägte nun das mystische Bühnenbild. „Give me all your Love“ als Einstiegssong, riss auch die letzten von den Stadionstühlen – zumindest war aufgrund der dröhnenden Akustik an geruhsames Sitzen nicht mehr zu denken. Der Sound noch ok, wenngleich die Dezibelzahl sich sicherlich im Grenzbereich bewegte. „Can you hear the wind“ oraktelte scheinbar schon die kommenden Wetterkapriolen hervor, doch Coverdale und Co. peitschen unablässig vorwärts. Kraftvoll, dynamisch jeder seiner Songs, er flirtet mit dem Publikum, schreit in gewohnter Manier und so gelingt es ihm scheinbar mühelos das bevorstehende Rentenalter zu kaschieren. „Pistols at dawn“ und „Steel your heart away“ sind die Nummern bevor Drummer Tommy Aldrigde zu seinem großen Solo ansetzt, dass er schließlich ohne Drumsticks mit bloßen Händen an seiner „Schießbude“ beendet. „Geil und laut“ so die Vermutung sollte es werden, und genauso war es schließlich auch bei Whitesnake. Hard Rock von der besseren Sorte, das nächste Mal gerne auch ein paar Nuancen leiser.
Der letzte im Bunde war „Journey“, die wie auch Whitesnake in den letzten Jahrzehnten gehörig Aderlass hinsichtlich der Bandmitglieder hinnehmen musste. Bassist Ross Valory, Mann der ersten Stunde, setzt der Band seinen musikalischen Stempel auf, den der neue Sänger Arnel Pineda perfekt umsetzt. Ein Glücksgriff für die erfolgsverwöhnten Amerikaner.
Mit der ersten Sekunde geht es Vollgas durch die Inzeller Eishalle. Musikalisch und auch in Hinblick auf den Sound der beste Gig des Abends. Pineda springt, tanzt, rennt, turnt sich quer durch die Bühne, während Ross Valory sich betont cool gibt. Alle Songs aus dem letzten Album „Revelation“ sind stimmig und temporeich, aber auch leisere Töne werden gehört und dankbar mit dem Publikums-Feuerzeug quittiert. Spätestens als die Hymne „Wheel in the Sky“ ertönt rockt die Aicher-Arena vollends ab. Die Lichtshow perfekt, der Sound sauber, die Show Energie geladen, so soll es sein. Wer denkt, dass das Ende erreicht ist, wusste nicht, dass die Jungs mit „Don´t stop believin“ noch eine spitzen Feil im Köcher hatten, den sie bis zuletzt aufsparten und dann treffsicher ins Herz der Anwesenden abfeuerten. Volltreffer. Der zweite Tag konnte kommen.
Und er kam und mit ihm der Dauerregen. Kein Grund für die Hurricanes, der Name trägt ja bereits Wettergene in sich, griesgrämig zu sein. Im Gegenteil, trotz nur zaghaft besetzter Halle am frühen Nachmittag schickt sich Herbert Ringsgwandl ans Mikrofon um seiner guten Laune freien Lauf zu lassen. Schauspielerisches Talent war ihm gegeben, Wusste bis zu diesem Zeitpunkt noch niemand, ob die angesagten Bands des Abends überhaupt jemals trockenen Fußes in Inzell ankommen werden. Doch „the show must go on“ und so übernahmen die Hurricanes die musikalische Führungsarbeit. Vom Feinsten. Gute alte Songs, jeder ein Hit für sich. „A hard days night“ wurde übertroffen von „Come together“ dieser Song wiederum von „San Franzisco“ und dieser Hit von „Like a rolling stone“ und so weiter und so fort. Ringsgwandl und seine Mannen (Walter Veitinger, Leo Brunner, Peter Spannring, Herbert Lang) mühten sich redlich und sie vollbrachten eine wahre Meisterleistung. Auch das Duett mit Kathi Veitinger bei „Proud Mary“ begeisterte die Inzeller Besucher. Perfekter Sound und die unbeschreiblich gute Laune sprangen aufs Publikum über, dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, welche Hiobsbotschaft kommen sollte. Auch die vorherige Ankündigung des Veranstalters, dass aufgrund der katastrophalen Verhältnisse die Ankunft der Bands ungewiss sei, schien niemanden zu bekümmern. Als schließlich auf die schnelle eine zweite Setlist aus dem Jahrzehnte alten Hut der Hurricanes gezaubert wurde, war mit „Hey Joe“ und den guten alten CCR Hits die Halle im Federstreich erobert.
Und doch kam schließlich die unvermeidbare Botschaft. Sämtliche Bands, in der Anreise von Salzburg oder München, steckten im Verkehrschaos des neuen Rekordhochwassers fest, das Konzert fiel damit buchstäblich in selbiges. Die Fans bekamen noch einen Trostsong, doch der vermochte zwar den Schmerz zu lindern, doch die von weither gereisten aus Ulm, Stuttgart, Landshut, Heidelberg, Sachsen und Thüringen hätten lieber Rick Springfield, Survivor und die Band Toto gehört als sich in die Karawane der Umgehungsstraßen einzureihen.
So bleibt das Fazit: tolles Konzept, ein prima Band-Aufgebot versprachen ein Highlight der besonderen Art, sprichwörtlich höhere Gewalt setzte dieser Erwartung ein jähes Ende. Info zu den Tickets gibt es auf www.hirock.de.
*** © Udo Kewitsch, 03.06.13 / Zeichen 7982 / Zeilen 109 ***